Was haltet ihr von der Idee des Industriestrompreises? Demnach würden die Unternehmen aus dem sogenannten Transformationssektor subventioniert. Auf der einen Seite werden damit zumindest keine falschen Anreize gesetzt (Stahl, Zement, …), auf der anderen Seite frage ich mich, ob die Maßnahme überhaupt wirksam wäre hinsichtlich der wirtschaftlichen Großwetterlage in Deutschland. Haben die betroffenen Unternehmen überhaupt einen nennenswerten Anteil an der Wirtschaftsleistung? Was ist mit der Beschaffung von Rohstoffen und Halbzeugen aus dem Ausland, die nicht subventioniert sind, aber trotzdem die Herstellkosten der deutschen Hersteller in die Höhe treiben? Wenn ich richtig informiert bin, waren viele Stahlerzeugnisse in den letzten Jahren überall schwer und teuer zu bekommen, Lieferkette Probleme, etc.

Mich würden eure Einsichten interessieren!

  • heeplr@feddit.de
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    10 months ago

    Es hängt von mehreren Faktoren ab, ob das was bringt oder nicht. Man erkauft damit primär Zeit. Zwei extreme Szenarien:

    • Die Industrie/Wirtschaft vollzieht mit grösster Anstrengung die Transformation. Dann puffert man damit unvorhergesehene Probleme ab. Das kann sich sehr lohnen.

    • Business-as-usual, Transformation wird nie kommen. → Dann war es Geldverschwendung.

    Da spielen noch einige andere Faktoren eine Rolle, aber im Prinzip stellen sich mir die Fragen:

    • Kann die Mehrheit der deutschen Wirtschaft überhaupt supermodern & klimaneutral?
    • Falls ja, transformiert sie auch von selbst, ohne vom Markt oder vom Staat dazu gezwungen zu werden.

    2 Volkswirtschaftler, 3 Meinungen :-)

    • solidstate@feddit.deOP
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      10 months ago

      Ich stelle mir ähnliche Fragen. Der Industriestrompreis zielt darauf ab, “grüne” Industrie zu subventionieren. Ganz wesentlich ist aber weiterhin der Umbau konventioneller Industriezweige, und ich bin mir nicht sicher, ob die hier betroffenen Transformationsunternehmen dort auch beteiligt sind - Beispiel Umbau eines Stahlwerks auf Wasserstoff. Ohne so eine Hebelwirkung, also auf nicht direkt betroffene Industriebereiche, stelle ich mir die Wirkung eher begrenzt vor.

      Was ich aber nachvollziehen kann, ist der Aspekt der Zeit, den du aufwirfst. Eine Beschleunigung der Entwicklung nachhaltiger technischer Lösungen ist natürlich zu begrüßen, muss aber ja vor dem Hintergrund ihrer Opportunitätskosten gesehen werden. Ist das die beste Alternative, die Mittel einzusetzen, oder geht es darum, vor dem Hintergrund der Schlagzeile “Deutsche Wirtschaft schwächelt” Stimmung zu machen?

      • heeplr@feddit.de
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        10 months ago

        muss aber ja vor dem Hintergrund ihrer Opportunitätskosten gesehen werden

        Das bringt aber nichts, wenn 75% der Wirtschaft pleite geht, weil der Strompreis zu schnell zu hoch steigt und die Transformationsgeschwindigkeit zu langsam ist.

        Nicht jeder kann überhaupt Klimaneutral werden. Die gehen Pleite. Aber von denen die könnten, kann nicht jeder gleich schnell. Bei vielen Wirtschaftszweigen ist die Herausforderung enorm und Zeit ist dann ein Faktor. Und die Uhr tickt.

        Ansonsten sehe ich es genauso.

        • solidstate@feddit.deOP
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          10 months ago

          Na das meinte ich auch eigentlich, habe mich vielleicht schlecht ausgedrückt. Wenn das Ziel ist, mehr als 25% der Wirtschaft über die hohen Strompreise hinwegzuretten, wieso dann die Mittel nicht direkt in Industrie packen, die noch gar nicht am Transformationsprozess beteiligt ist, es aber sein könnte? Mal ganz davon abgesehen, ob ich persönlich das für sinnvoll halte oder ob man das als gerecht bezeichnen mag. Ich glaube, mein Verständnisproblem bei der Strompreisbremse ist, dass mir der Inhalt und die Zielsetzung nicht ganz deckungsgleich scheinen.

          • heeplr@feddit.de
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            10 months ago

            nicht direkt in Industrie packen

            wieso so ein starker Eingriff?

            der Inhalt und die Zielsetzung nicht ganz deckungsgleich scheinen.

            wieso?

            • solidstate@feddit.deOP
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              10 months ago

              Wenn wir sagen, dass das Ziel der Maßnahme nicht primär die Beschleunigung der Transformation zu erneuerbaren Energien, sondern die Unterstützung der Wirtschaft gegenüber hohen Energiepreisen ist, ist doch fraglich, ob die im Artikel beschriebene Gestaltung zielführend ist: es soll nur ein Teil der Industrie subventioniert werden, und auch nur indirekt (aber an das Grundproblem hoher Strompreise gekettet). Das freut den Hersteller von Windenergieanlagen (ein bisschen, Stahlerzeugnisse aus dem Ausland bleiben teuer und oft wird lokale Wertschöpfung in den Zielmärkten vorausgesetzt, man kann nicht alles einfach in Deutschland produzieren, wenn man verkaufen will) aber nicht den Werkzeugmaschinenbauer. Ich könnte mir vorstellen, dass die “Transformationsunternehmen” an der Volkswirtschaft, z.B. gemessen am BIP, einen eher kleinen Anteil haben. Die positive Folge, dass Strompreise oder Energiepreise zukünftig fallen, hilft unmittelbar den nicht subventionierten Unternehmen nicht.

              Außerdem ist der hohe Strompreis in Deutschland trotz Preisschock ja auch die letzten Jahre gemessen an der Wirtschaftsleistung vergleichsweise hoch gewesen (international). Warum jetzt, warum so selektiv, warum so kurz?

              Daher die Frage, ob das erklärte Ziel, die deutsche Wirtschaft zu unterstützen, mit dieser Maßnahme gezielt angesprochen wird, oder ob eher sekundäre, kleinschrittigere Effekte damit erzielt werden, die zwar auch gut sind, aber eben nicht der “große Wurf”.

              • heeplr@feddit.de
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                10 months ago

                Deine Argumentation trägt den neuen Herausforderungen keine Rechnung sondern gilt noch für vor Corona.

                JETZT müssen Unternehmen entkoppeln, Zulieferer diversifizieren, just-in-time relativieren, Resilienzen steigern und natürlich Klimaneutral werden.

                Ich könnte mir vorstellen, dass die “Transformationsunternehmen” an der Volkswirtschaft, z.B. gemessen am BIP, einen eher kleinen Anteil haben.

                Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. z.B. BASF wird extreme Anstrengungen leisten müssen. Aber keine unmöglichen. Genug Zeit kann da den Unterschied zwischen gedeih und verderb ausmachen.

                • solidstate@feddit.deOP
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                  10 months ago

                  Ich habe mich bemüht, nicht zu argumentieren, sondern meine Fragestellung zu präzisieren - mich interessiert ja wie beschrieben eure Meinung!

                  Ich lese den Vorschlag eben nicht so, als würden Unternehmen wie BASF von den Subventionen profitieren - wenn das so wäre, würde ich der Argumentation der Regierung viel einfacher folgen können. Genannt sind ja explizit Industriezweige, die direkt an der Energieerzeugung mit Erneuerbaren beteiligt sind, nicht aber die, die mittelfristig und auch nur mittelbar davon profitieren, wie BASF. Übersehe ich etwas?

                  • heeplr@feddit.de
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                    10 months ago

                    Jetzt bin ich selbst verunsichert. Eine spezielle “Energiepreisbrense” für bestimmte Gruppen gibt es ja seit letztem Jahr.

                    Mit dem neuen Gesetz/Positionspapier (mit dessen Details ich nicht vertraut bin) zielte man aber mWn schon auf die breite Industrie ab und ist daher auch in der Kritik.

                    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/industriestrompreis-102.html schreibt z.B. “Die Chemie- und Energiegewerkschaft IGBCE begrüßte das SPD-Konzept …” d.h. Chemie ist davon schon bezroffen dacht ich.