Die EU erkenne jetzt erst, welche Bedrohung China darstelle, sagt Expertin Vasselier. Im Interview spricht sie über Pekings internationale Strategie und ein Dilemma, sagt Abigaël Vasselier, Leiterin des Forschungsteams zu Chinas Außenpolitik beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin.

Frage: Gehen Sie davon aus, dass China die Unterseekabel in der Ostsee zerstört hat?

Abigaël Vasselier: Wir müssen abwarten, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, bevor wir China beschuldigen. Wir müssen ausgesprochen vorsichtig dabei sein und uns auf verlässliche Fakten zu beziehen. Andernfalls würden wir der Desinformation Vorschub leisten, die wir selbst zu bekämpfen versuchen.

Das ist vor allem deshalb so wichtig, weil wir Europäer uns in einem kritischen Moment befinden, in dem wir erkennen, dass China eine Bedrohung für die europäische Sicherheitsarchitektur darstellt. Gerade führen wir eine sehr heikle und schwierige Diskussion - wir müssen also sicherstellen, dass wir hier Beweise haben.

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In den vergangenen zwei Jahren hat China stets gesagt, dass es Russland keine tödlichen Ausrüstungen liefern wird. Aber in der vergangenen Woche erhielten wir den Beweis, dass China tödliche Drohnen liefert, die in seiner Region Xinjiang hergestellt und dann nach Russland geschickt werden. In diesem Sinne hat China seine eigenen roten Linien überschritten.

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Die Zahl der gemeinsamen Militärübungen [zwischen China und Russland] ist drastisch gestiegen. Schon 2017 hat China eine gemeinsame Militärübung mit Russland in der Ostsee durchgeführt hat. Dies alles stellt eine echte Bedrohung für die Sicherheit des europäischen Kontinents dar.

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Es ist nicht im Sinne Chinas, dass Russland diesen Krieg verliert, denn das Ziel ist es, den Westen und die transatlantische Partnerschaft zu schwächen, auch die NATO. […] Wenn Russland den Westen und die liberalen Werte, für die der Westen steht, untergräbt, dann ist das für China von Vorteil.

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Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die wichtigste Priorität der Kommunistischen Partei das Überleben und die Stabilität der Partei umfasst […] Die Partei braucht heute neue Legitimität, einen neuen Gesellschaftsvertrag mit dem Volk. Sicherheit ist die Grundlage des chinesischen Gesellschaftsvertrags. Die allgemeine Stabilität hat also weiterhin Priorität.

Und ja: China will auch, dass Russland den Krieg gewinnt. Aber es will, dass der Rest Europas relativ stabil bleibt - zu Chinas Bedingungen. China möchte, dass die europäischen Märkte weiterhin florieren und für chinesische Exporte offen bleiben.

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Da China seine eigenen roten Linien überschritten hat, wurden diese Konsequenzen am Montag in Brüssel mit 27 Außenministern diskutiert - bisher leider ohne Ergebnis. Ich hoffe sehr, dass wir in den nächsten Tagen sehen werden, welche Sanktionen es geben wird. Das ist die eine Ebene.

Auf der zweiten Ebene ist aber die Erkenntnis genauso wichtig, dass China eine echte Sicherheitsbedrohung für Europa darstellt. Wir sprechen immer noch von Partnerschaft und Wettbewerb. Bislang haben die Europäer nie gesagt, dass China eine Sicherheitsbedrohung darstellt. Die NATO hat China beim letzten Gipfel im Juli als eine “entscheidende Triebkraft des Krieges” definiert.

Die letzte Ebene ist die Frage, wie wir die Kräfte zwischen der NATO und der Europäischen Union mit Blick auf die Bedrohung durch China strategisch bündeln. Die Sicherheit Europas steht auf dem Spiel.

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  • bungalowtill@lemmy.dbzer0.com
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    14 hours ago

    Einerseits ja, andererseits sind das ja Diskussionen bei denen ich ihm nicht einfach die Deutungshoheit überlassen möchte. Mal schauen, wenn ich merke, dass ich mich mehr ärgere und dadurch Quatsch schreibe, werde ich das tun. Werde ich wahrscheinlich schon schaffen bevor du mich wieder daran erinnern musst.